„Souveränität in Führung und Kommunikation“ – Interview mit Gisella Novelli D’Incà
Gisella Novelli D’Incà ist Executive Coach, Trainerin und Beraterin bei ewico. Mit einer umfassenden Ausbildung* und jahrzehntelanger Erfahrung in der Beratung in strategischen Fragen und Führungsthemen ist sie Expertin auf dem Gebiet der Personalentwicklung, Strategischem Management und Counseling.
Frau Novelli D’Incà, was bedeutet Leadership für Sie? Und wie profitieren Unternehmen davon?
Ein Leader ist eine Person, die in erster Linie sich selbst führt, das bedeutet, sich und seine Emotionen versteht. Von seinen inhaltlichen Kompetenzen abgesehen hat ein echter Leader die Fähigkeit, Menschen zu überzeugen, zu motivieren und auf sehr präzise Weise mit ihnen zu kommunizieren. Das ist das, was wir im Grunde von jeder Führungskraft einer modernen Organisation erwarten. Die Realität sieht immer noch etwas anders aus, aber die gute Nachricht ist, dass vieles davon nicht auf Talent beruht, sondern sehr gut entwickelt werden kann. In meiner Arbeit sehe ich in den letzten Jahren immer häufiger, dass die fachlichen Qualifikationen in Management-Positionen nicht mehr unbedingt den Ausschlag geben, sondern die „people skills“, also die Fähigkeiten, mit Menschen umzugehen. Für Unternehmen sind ihre Mitarbeiter die wichtigste Ressource, deshalb brauchen sie ganz besonders auf der Führungsebene jemanden, der diese Mitarbeiter wertschätzt, einschätzen kann und im Sinne des Unternehmens lenkt.
Eines Ihrer erfolgreichsten Führungskräfte-Trainings befasst sich mit Souveränität in der Kommunikation und Führung. Was vermitteln Sie dort für Inhalte?
Die zwei entscheidenden Grundkompetenzen eines echten Leaders sind einerseits Empathie und andererseits Konfliktfähigkeit. Empathie bedeutet, in der Lage zu sein, die Gefühle des Gegenübers zu verstehen, ohne darüber zu urteilen – das bedeutet nicht unbedingt einverstanden zu sein, sondern korrekt wahrzunehmen. Konfliktfähigkeit meint die Fähigkeit, mit unterschiedlichen Standpunkten umzugehen und nicht jede Meinungsverschiedenheit in einen Streit zu verwandeln, trotzdem aber die eigene Meinung sinnvoll vertreten zu können. Man kann auch Durchsetzungsfähigkeit dazu sagen, aber das hat einen etwas negativen Klang auf Deutsch. Ein Diktator setzt sich ja auch durch – aber uns ist allen klar, dass das als dauerhafte Strategie keine gute Idee ist. Um sich in diesen beiden Bereichen zu stärken, kann man entweder mit Coachings oder Trainings arbeiten. Das ist ein komplexer Prozess, aber am Anfang steht, soviel kann ich schon sagen, das Bewusstsein über die eigenen Kommunikationsmuster und ihre Aussenwirkung. Es ist für mich ganz toll, das persönliche Wachstum in diesen Prozessen zu erleben.
Was brauchen Führungskräfte noch neben Empathie und Konfliktfähigkeit?
Was ich immer wieder deutlich sehe ist, wie wichtig es ist, die Machtverhältnisse und menschlichen Dynamiken in Organisationen zu verstehen. Das gilt für Führungskräfte, die Entscheidungen treffen müssen und die Konsequenzen vorab verstehen wollen, aber auch für jeden, der auf der Karriereleiter aufsteigen möchte. Die systemische Analyse, das Verständnis für die Zusammenhänge und Abhängigkeiten und die Fähigkeit, sich Allianzen zu schaffen, ist sicher eine, die erfolgreiche Menschen auszeichnet.
Coaching ist als Maßnahme in der Personalentwicklung längst anerkannt. Dennoch nehmen sich oft gerade Führungskräfte keine Zeit dafür. Wie erklären Sie sich das?
Das ist ein bekanntes Phänomen, das in der mittleren Frist erst seine folgenschweren Konsequenzen offenbart. Viele Führungskräfte sind im Alltag so eingebunden, dass es ihnen, wenn es nicht gerade akut ein konkretes Problem gibt, als Luxus erscheint, sich Zeit für ihre eigene Entwicklung zu nehmen. Dabei ist das, gerade in unserer Zeit des immer schnelleren Wandels, absolut existenziell: Wenn der Kopf der Organisation in die falsche Richtung schaut, wie soll der Körper in die richtige Richtung laufen? In all den Jahren, in denen ich mit Führungskräften arbeite, habe ich kaum wirklich erfolgreiche Menschen kennengelernt, die keinen Coach oder Mentor haben – das war für alle wichtig. Und es macht auch ganz logisch betrachtet Sinn – sich Zeit für die Vision zu nehmen, immer wieder eine Außenperspektive zu erhalten, Objektivität in die Arbeit zu bringen – das ist unschätzbar hilfreich, um richtungsweisende Entscheidungen zu fällen.
Welche Rolle spielt die Führung in der digitalen Transformation?
Eine entscheidende Rolle! Um Chancen und Möglichkeiten für eine Organisation zu sehen, ist es hilfreich, nicht bis über beide Ohren in der inhaltlichen Arbeit drinzustecken. Das bedeutet, vom „Heute“ des Unternehmens weiter zu denken an das „Morgen“ – wo wollen wir hin? Außerdem sehe ich oft, dass Führungskräfte durch die Fähigkeit, mögliche Szenarien zu bewerten, sehr entschlussfreudig sind. Das ist wichtig, denn möglich ist ganz viel – man muss sich aber für eine Strategie entscheiden, die gut zum Unternehmen passt. Hinzu kommt, dass die eigentliche Herausforderung in der digitale Transformation ja nicht die Einführung einer neuen Technologie ist, sondern die sinnvolle Benutzung dieser durch die Menschen in der Organisation. Der zunehmend technische Charakter der Arbeit macht etwas mit den Menschen – die Arbeit mit Maschinen, auch wenn sie eine ansprechende Benutzeroberfläche haben, ist einfach nicht das gleiche wie mit menschlichen Kollegen. Eine gute Führungskraft ist durch ihre Empathie in der Lage, den menschlichen Teil einer Organisation zu erhalten und zu stärken und die Technisierung auch ein Stück weit auszugleichen.
Welche Zukunft sehen Sie in smart working?
Nicht mehr und nicht weniger als die Zukunft des Arbeitens – gemeinsam und individuell. Die Frage ist doch eher: wie kann man es sich leisten, NICHT smart zu arbeiten? Wer sich traut, eine zeitgemäße Herangehensweise an Arbeit zuzulassen, wird hier wirklich reich belohnt. Ich erinnere mich noch gut daran, als ich ins Arbeitsleben eingetreten bin – damals ging es den meisten darum, einen sicheren Arbeitsplatz zu finden, auf dem man dann für immer bleiben konnte – was das war, stand im Hintergrund. Die Anforderungen des Chefs zu erfüllen, stand an erster Stelle und man traute sich kaum, von Work-Life-Balance zu sprechen. Heute ist das anders und ich bin froh darüber – die Abgrenzung zwischen Arbeit und Leben ist künstlich und oft schädlich. Es gibt nur eine Life-Balance und mit smart working gewinnen wir einfach viel Flexibilität. Übrigens merke ich in meiner Arbeit auch, dass Unternehmen als Arbeitgeber damit enorm punkten können – bei dem heutigen Fachkräftemangel ist das ein relevantes Kriterium für Kandidaten, besonders Hochqualifizierte.
Sie begleiten seit vielen Jahren Veränderungsprozesse. Wie können Unternehmen eine Kultur der Veränderung annehmen? Und welche Chancen bietet sie ihnen?
Die Kultur einer Organisation wird von ihrer Führung gepflegt. Wenn der Chef keine Veränderungen mag, werden die Mitarbeiter so wenig wie möglich ändern. Damit verpasst das Unternehmen große Chancen. Wer hingegen als Führungskraft Innovation ausdrücklich begrüßt, belohnt und selbst vorlebt, der ermöglicht seinen Mitarbeitern, sich selbst einzubringen. Das fördert nicht nur die Zufriedenheit der Mitarbeiter, sondern schafft auch ein massives Potenzial für Entwicklung. Es beginnt wirklich im ganz kleinen. Die Mitarbeiter sind Experten für die inhaltlichen Arbeiten: warum nicht mal sie konkret fragen, welche Abläufe gut funktionieren, und was sie verbessern würden?
Was bedeutet für Sie selbst gute Zusammenarbeit?
Neben der Fachkompetenz meines oder meiner Arbeitspartner ist für mich entscheidend, dass man einander vertrauen kann. Die gegenseitige Wertschätzung und das Wissen, dass der andere sein Bestes gibt und mit mir gemeinsam ein tolles Ergebnis erzielen möchte, das motiviert mich. Für mich ist es sehr spannend, in Teams mit ganz unterschiedlichen Menschen zu arbeiten und die Vielseitigkeit zu nutzen. Wichtig ist dabei, dass jeder sich selbst, seine Bedürfnisse und seine Tendenzen gut kennt und sich selbst in seiner Rolle versteht. Wir sind hier bei ewico alle ganz unterschiedliche Charaktere, was die Arbeit auf eine gute Art nicht hundertprozentig absehbar macht: Mit jedem Einzelnen und in jeder neuen Konstellation arbeitet man anders, so wie auch jedes unserer Projekte eigen ist. Der Ansatz, immer maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln, statt immer das gleiche Standard-Prozedere durchzuführen, liegt mir sehr. Man kann nie sagen „Jetzt habe ich alles gesehen, jetzt kann ich alles“ – jeden Tag lernt man etwas dazu.
Herzlichen Dank!
* Coach & Counselor Strategico certificato (Nardone Group©, NLP©, MCR© e CBJ©), Emergenetics Associate, Certificato di Competenza Professionale in Counseling© presso Assocounseling, NLP-CoachTM e Master Practitioner NLP certificato.